November
2020

Gesund im Mund - für ein strahlendes Lächeln

Ein Interviewbericht von Alexandra Pfitzmann

Wer gesunde Zähne hat, lächelt mehr, oder meinen Sie nicht auch? Wenn etwa im sichtbaren Bereich Zähne verfärbt oder kariös sind oder sogar fehlen, würde man doch eher gehemmt lachen. Und wenn einen Schmerzen plagen, dann ist einem ohnehin nicht zum Lachen zumute. Viele Menschen scheuen aus Angst den regelmäßigen Gang zum Zahnarzt. Ja, der Besuch ist jetzt nicht mit dem beim Frisör vergleichbar, aber wer regelmäßig geht, muss auch weniger Angst haben, dass „Schlimmes“ passiert. Und die heutige Technik und Anästhesiologie ist so fortgeschritten, dass auch komplizierte Behandlungen schmerzfrei und mit bestem Ergebnis verlaufen.

Die Pflege der Zähne ist das A und O

Die gute Pflege der Zähne ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Zähne gesund zu halten. Nun mag der eine oder andere überfragt sein – nehme ich die normale Handzahnbürste? Oder doch das High-Tech Modell mit allen Funktionen bis hin zur Mund-Dusche? Brauche ich Zahnseide? „Anlässlich unserer Prophylaxe- und Dentalhygienesitzungen empfehlen wir die elektrische Schallzahnbürste, wobei die Handhabung wichtig ist (nicht schrubben). Die Munddusche ist zwar angenehm, aber nicht unbedingt nötig. Die Zahnreinigung soll 3x täglich erfolgen nach jeder Mahlzeit“, erläutert Professor Dr. Kurt Jäger die beste Vorgehensweise beim Zähneputzen.

Drei Mal täglich die Zähne zu putzen erscheint zunächst viel – da muss man ja alles mit zur Arbeit nehmen … Die Empfehlung folgt aber nun einmal der Logik, dass Zähne in erster Linie dazu da sind, Nahrung zu zerkleinern, und das tun wir normalerweise drei Mal am Tag. Und mit dem Essen siedelt sich auch Plaque, also Belag, im Mund an und kann Zahn und Zahnfleisch angreifen. „Wer unterwegs ist, kann natürlich auch zu einer herkömmlichen Handzahnbürste greifen“, ergänzt Professor Dr. Jäger, „dann aber mit der Bass- oder Stillmanntechnik“. Die Bass-Technik basiert auf kleinen, fast auf der Stelle rüttelnden Bewegungen mit der Zahnbürste und ist eine der gängigsten Zahnreinigungsmethoden, die auch Zahnzwischenräume reinigt. Die Stillman-Technik wird Menschen sowohl mit gesundem Zahnhalteapparat (Zahnbett) und mit einem Zahnfleischrückgang (auch „Rezessionen“) und damit empfindlicheren Zahnhälsen empfohlen. Man putzt hierbei mit der Zahnbürste von Rot (Zahnfleisch) nach Weiß (Zahn).

„Ebenso wichtig ist die Interdentalpflege mit Zahnseide oder ID-Bürste (Interdental-Bürste). Ebenso gehört die Fluoridprophylaxe dazu – Fluorid fördert die Remineralisation, härtet die oberste Schmelzschicht und hemmt das Bakterienwachstum!“, empfiehlt Prof. Dr. Jäger. Die Verwendung von Zahnseide wird von vielen Menschen leider vernachlässigt. Dabei hilft Zahnseide in der Pflege sehr, da man mit dem Seidenfaden doch sehr viele schädliche Plaque-Bakterien aus den Zahnzwischenräumen herausholen kann und damit Zahnfleischentzündungen vorbeugt.

Mit dem Essen kommt auch Belag!

Natürlich essen wir öfter am Tag, ob es die klassischen Mahlzeiten sind oder der Snack zwischendurch, vielleicht auch mal Süßes in Form von Schokolade oder Kuchen. Das sollte schließlich alles im Rahmen des Machbaren sein. „Die Ernährung ist selbstverständlich wichtig. Eine gesunde ausgewogene Ernährung ist essentiell für die Allgemeingesundheit. Die Zähne leiden bei Nahrung mit hohem Zuckergehalt. Ich empfehle, möglichst wenig Zucker zu sich nehmen und wenn nötig, nur zu den Hauptmahlzeiten. Dies gilt auch für zuckerhaltige Getränke. Bei Nahrungsmitteln sollte darauf geachtet werden, dass sie das Prädikat `zahnschonend´ tragen. „Zuckerfrei“ heißt nicht, dass keine zahnschädigenden Säuren gebildet werden“, ermahnt Prof. Jäger an dieser Stelle. Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass zuckerfrei oftmals nur meint „frei von Rohrzucker (Haushaltszucker)“. Produkte können aber durchaus Fruktose (Fruchtzucker), Glukose (Traubenzucker), Laktose (Milchzucker) oder Maltose (Malzzucker) enthalten, die letztlich auch zu Kariesschäden führen können. Gut, das heißt aber nicht, dass wir auf alles verzichten müssen. Es sollte jeder einfach aufmerksamer sein, ob beim Einkauf oder beim Verzehr.

Wenn sich Karies gebildet hat …

…dann muss er rausgeholt werden. Denn Karies (vom lateinischen Wort `caries´, dt.: Fäulnis, Morschheit) zerstört den Zahnschmelz, das Zahnhartgewebe und das Dentin. Die Zahnkaries (von lateinisch caries ‚Morschheit', ‚Fäulnis') oder kurz Karies ist eine multifaktoriell bedingte destruierende Erkrankung der Zahnhartgewebe, Zahnschmelz und Dentin. Karies entsteht unter Beteiligung von Mikroorganismen und ist letztlich das Ergebnis einer ökologischen Veränderung des natürlichen Biofilms der Zähne. In einem frühen Stadium kann Karies durch den Einsatz von Fluoriden gestoppt werden, solange sich noch keine Kavität, also ein Hohlraum, gebildet hat. Ist die Kariesbildung fortgeschritten, muss die betroffene Zahnhartsubstanz ausgeräumt und der Zahn mit einem Füllungsmaterial versorgt werden.

Und was ist mit Amalgamfüllungen?

Es gibt verschiedene Füllmaterialien: Glasionomer-Zement (ein mineralischer Zement, meist nur zur Übergangslösung wie bei Provisorien verwendet), Composite (20 Prozent Kunststoff und ca. 80 Prozent aus einem Salz der Kieselsäure), Inlays aus Gold oder auch Amalgam. Letztere Fülloption war einmal schwer in Verruf geraten. Gut, dass wir hier mit einem Experten der Zahnheilkunde sprechen konnten: „Amalgam war zu seiner Zeit ein kostengünstiges, leicht zu verarbeitendes Füllungsmaterial, das bei guter Mundbeständigkeit die Langzeitbewährung „glänzend“ bestanden hat. Moderne zahnfarbene Composites haben Amalgam als Füllungsmaterial abgelöst. In seltenen Fällen kann es zur Reparatur an Kronenrändern noch verwendet werden. Amalgam ist unbedenklich, das wurde mehrfach wissenschaftlich schulmedizinisch erwiesen“, erläutert Prof. Dr. Jäger. Jetzt möchten wir natürlich wissen, welche Füllung empfehlenswert ist. „Es gibt direkte und indirekte Füllungen. Bei der direkten Füllung wird heute die gesunde Zahnsubstanz möglichst geschont (früher: Extension for prevention). Moderne Composite-Materialien werden mittels Säure-Ätztechnik mechanisch und chemisch zur Zahnerhaltung eingebracht. Bei indirekten Füllungen wird der präparierte Zahn abgeformt oder gescannt, und die im zahntechnischen Labor gefertigte Füllung wird in den Zahn eingeklebt“, klärt Prof. Dr. Jäger auf.

Implantate werden immer beliebter, oder?

Immer wieder hört man vom Einsatz von Implantaten. Kommen Implantate für jeden Patienten in Frage? „Es gibt wie für alle medizinischen Maßnahmen Indikationen und Kontraindikationen, Vorteile und Nachteile, Risiken mit Aufklärungsbedarf. Die zahnärztliche Implantologie ist sehr fortgeschritten und hat ein breites Indikationsgebiet. Ist das Knochenangebot ungenügend, kann Knochen mit verschiedenen Techniken meist aufgebaut werden. Je nach Ausgangslage ist halt der zahnmedizinische Aufwand für Implantate größer. Eine Bereitschaft zur guten Mundhygiene und der Verzicht auf Rauchen fördern den Langzeiterfolg“, so Prof. Dr. Jäger.

Viele Menschen leiden an Kaufunktionsstörungen

„Kaufunktionsstörungen sind begleitet von Kiefer-Gesichtsschmerzen, von Muskeltonuserhöhungen, von Bewegungsstörungen des Kiefers, von Kiefergelenkknacken oder Gelenkschmerzen“, erklärt Prof. Dr. Jäger. Dies rührt oftmals von Pressen oder Knirschen mit den Zähnen, etwa in Stresssituationen, was auch während des Schlafens passiert. Rheumatische Erkrankungen oder Verletzungen können hierbei auch eine Rolle spielen. Kopfschmerzen, Kiefergelenkknacken und Muskelverspannungen oder Tinnitus können die Folge sein. „Die Ursachen sind multifaktoriell und interdisziplinär. Der spezialisierte Zahnarzt muss erkennen, welche Therapie-Maßnahmen sein Fachgebiet betreffen und welche nicht. In der Zahnarztpraxis kann eine orale Physiotherapie instruiert, es können auch Medikamente verabreicht oder eine Okklusionsschiene eingegliedert werden. Häufig ist der Zahnarzt die erste Ansprechperson beim Schmerzpatienten. Wichtig ist es, aus Anamnese und Symptomen zur richtigen Triage zu kommen und das zu therapieren, was das Fachgebiet erlaubt sowie multidisziplinär mitzuarbeiten. Ich bin z.B. Teilnehmer an einer multidisziplinären Kiefergelenksprechstunde an der Hirslanden Klinik in Aarau“, erzählt Prof. Dr. Jäger mit dem Blick auf eine kontinuierliche Beratung seiner Patienten.

Die Angst sitzt oft mit im Behandlungsstuhl

Wie oben schon erwähnt, lässt sich der Zahnarztbesuch nicht mit dem beim Frisör vergleichen. Kennen Sie das noch, als Sie als Kind begeistert gerufen haben „Mama, der hat gar nicht gebohrt!“? Je älter wir werden, desto anfälliger werden natürlich auch unsere Zähne. Es gibt tatsächlich nur 1% Menschen, die ohne Karies, Füllungen oder Zahnersatz leben. Seien Sie also beruhigt. „Das Wichtigste für den Zahnarzt ist: Vertrauen zu gewinnen. Ohne eine wirksame Anästhesie darf unter Schmerzen für den Patienten nicht weitergearbeitet werden. Beim Angstpatienten muss man als behandelnder Arzt langsam vorgehen! Laser können dabei helfen,

weil sie berührungsfrei arbeiten. Auch die unangenehmen Geräusche und Vibrationen fallen weg. Daneben kann aber auch Hypnose eingesetzt werden, oder wenn es gar nicht geht, sollte die zahnärztliche Behandlung unter Narkose gemacht werden“, führt Prof. Dr. Jäger seine Vorgehensweise bei Angstpatienten aus und scherzt: „Bei Patienten mit Angst vor der „Spritze“ wette ich jedes Mal um einen Kuchen oder um eine Flasche Wein, dass Sie weder Nadel noch Infiltration spüren werden. Wenn Sie meine Figur betrachten, sehen Sie, wer dabei fast immer gewinnt!“.

Die Zahnmedizin ist ein weites Feld und benötigt Feingefühl

„Ich bin bis zur Pensionierung in drei Jahren genau 40 Jahre als Zahnarzt tätig. Es ist ein toller Beruf, wenn man gerne handwerkliche Tätigkeiten im kleinen Arbeitsfeld leisten möchte und den medizinischen Background liebt. Der Kontakt mit Patienten und Mitarbeitern sowie unter Kollegen oder Stakeholdern ist inspirierend und bereichernd“, erzählt Prof. Dr. Jäger, der mit seiner empathischen Art bei seinen Patienten sehr beliebt ist. Und genau hier setzt er weiter an: „Die Zahnmedizin entwickelt immer mehr in den technologischen Bereich und wird voll digitalisiert. Die Kieferorthopädie nimmt einen immer größer werdenden Stellenwert ein. Die Einzelpraxis verschwindet zunehmend zu Gunsten von Praxisgemeinschaften und Praxiszentren. Immer mehr Frauen entscheiden sich für die Studienrichtung Zahnmedizin. Teilzeitarbeitsmodelle sind hier gut zu realisieren. Ich wünsche mir aber, dass insbesondere für die Schmerzpatienten empathische Ansprechpersonen erhalten bleiben. Die langjährige Behandlung und Betreuung ist für die Vertrauensbildung sehr wichtig. Jede Praxis muss heute ein Schwergewicht auf die Prophylaxe legen“.

Professor Dr. Jäger, wir bedanken uns sehr für dieses aufschlussreiche Gespräch!

Der Standort Aarburg der Praxisgruppe Argodentis wird seit 1989 von Prof. Dr. med. dent. Kurt Jäger geleitet, der nicht nur im klinischen Bereich über umfangreichste Erfahrungen in der Zahnmedizin verfügt, sondern auch in der Forschung tätig ist. So veröffentlichte Prof. Jäger rund 200 Publikationen und Buchbeiträge in nationalen und internationalen Fachzeitschriften und lehrt außerdem als Titularprofessor an der Universität Basel. Der Standort Aarburg der Praxisgruppe Argodentis verfügt des Weiteren über ein eigenes zahnmedizinisches Schulungszentrum. Angehörige der Armee haben bei akuten Zahn- oder Kieferschmerzen ein Recht auf eine zahnärztliche Betreuung, die bei Prof. Jäger, Chef des Zahnärztlichen Dienstes der Armee, erhalten. Prof. Jäger ist damit auch an der der Ausbildung von Militärzahnärzten beteiligt und nimmt beratende Funktionen für die Armeeorgane wahr.